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Sinnlichkeit des Spätburgunders


“German’s wonderful take on Pinot Noir” (jamessuckling.com), “German Pinot Noir Is the Buzzy Alternative to Pricey Burgundy” (bloomberg.de), “Germany Might Be Producing the Best Pinot Noirs Available Today” (fortune.com), “Why You Should Explore The World Of German Pinot Noir Wines (forbes.com) – man muss sich schon in den englischen Sprachraum begeben, um wirkliche Begeisterung für deutschen Pinot Noir zu entdecken. Weinliebhaber und -kenner in Großbritannien und den USA haben Spätburgunder zu schätzen gelernt und schwärmen schon seit geraumer Zeit von seiner Vielfalt, seiner Eleganz und – seinem unschlagbaren Preis-Leistungsverhältnis. Aber auch in Deutschland wird seine Fan-Gemeinde inzwischen größer.

Die gemeinsame Geschichte des deutschen Weinbaus und des Spätburgunders ist eine jahrhundertealte Verbindung. Bereits im Jahr 884 wurden am Bodensee die ersten Reben der Sorte gepflanzt, damals noch unter dem Namen Klevner. Im Rheingau ist sie seit dem 13. Jahrhundert bekannt, wo Zisterzienser-Mönche sie aus dem Burgund mitbrachten, im 18. Jahrhundert sollen die ersten Reben ihren Weg an die Ahr gefunden haben. Dabei liegt die Ur-Heimat des Pinot Noir im französischen Burgund. Seit Jahrhunderten widmen sich die Winzer dort der roten Diva mit ihren hohen Ansprüchen an Klima und Böden. Die berühmte Côte d’Or setzt mit ihren Weinen aus Gemeinden mit klangvollen Namen wie Chambolle-MusignyGevrey-Chambertin oder Vosne-Romanée Maßstäbe, an denen sich lange Zeit die Spätburgunder anderer Regionen und Weinbauländer messen lassen mussten. Dass die teuersten und besten Pinot Noirs Namen hochdekorierter Weingüter wie Romanée-Conti, Leroy oder Faiveley auf ihren Etiketten stehen haben, verwundert nicht. Immerhin ist das Zusammenspiel von Rebsorte, Boden und Klima in wohl kaum einer anderen Region über Generationen so präzise ausgelotet.

Eine Hochphase erlebte deutscher Spätburgunder in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Legendär waren vor allem die Weine aus der Lage Assmannshauser Höllenberg im Rheingau. Als Direktor des damaligen Staatsweinguts Assmannshausen zeichnete Ewald Schug von 1923 bis 1959 für einige der erstaunlichsten und langlebigsten Pinot Noirs aus dieser Lage verantwortlich. Ihre scheinbar zeitlose Qualität beweisen sie bis heute in den seltenen Raritätenproben, für die die Hessischen Staatsweingüter die Türen ihrer Schatzkammern öffnen. Die Südlage des Höllenbergs mit bis zu 70 Prozent Steigung in Verbindung mit dem von Phyllitschiefer geprägten Boden boten schon in den frühen Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Grundlage für diese Weine. Denn die Ansprüche des Spätburgunders sind hoch: durchlässige Böden, ein gemäßigt-kühles Klima und eine lange Vegetationszeit mit möglichst trockenem Finale.

Der dunkle Schieferboden mit seiner Fähigkeit, die Wärme der Sonne zu speichern und in der Nacht wieder abzugeben, half den Spätburgundertrauben lange vor der Klimaerwärmung, optimal zu reifen. Wenig verwunderlich also, dass deutscher Spätburgunder aus dem Rheingau in einem Atemzug mit berühmten Weingütern wie Pétrus und Margaux genannt und sogar teurer gehandelt wurde als die großen Weine des Bordeaux. Erst die beiden Weltkriege und die anschließende „süße Welle“ im deutschen Weinbau beendete den Höhenflug des heimischen Spätburgunders für viele Jahre. So lag der Anteil des Spätburgunders 1970 in Deutschland bei gerade einmal 3,6 Prozent. Und das sollte sich bis in die 1990er Jahre kaum ändern.

Geschichte und Herkunft des Pinot Noir sind alt und lang und noch immer nicht in allen Details erforscht und belegt. Urkundliche Erwähnung und historische Schriften wie die des altrömischen Schreibers Columella lassen den Schluss zu, dass man die Sorte schon seit mehr als 2000 Jahren kennt. Im Jahr 2007 wurde das Genom der Rebsorte – als erste überhaupt! – komplett sequenziert. Dennoch ist der Ursprung bis heute nicht abschließend geklärt. Die direkte Abstammung von einer Wildrebe wird als wahrscheinlich angenommen. Sicher ist hingegen seine anspruchsvolle Art. Neben geeignetem Klima und Boden erfordert er umfangreiche Laubarbeit im Weinberg; die dünnen Beerenhäute benötigen einen umfangreichen und präzisen Pflanzenschutz, um die empfindlichen Trauben vor Krankheiten zu bewahren. Dass er es dennoch auf Rang zehn des weltweiten Rebsorten-Rankings geschafft hat, muss also andere Gründe haben. Gründe, die der Altmeister der Weinkritik, Hugh Johnson, in der aktuellen Ausgabe seines Weinführers „Der kleine Johnson“ treffend auf den Punkt bringt: „Die große Burgundertraube der Côte d’Or hat in Bukett, Fülle und Geschmack nicht ihresgleichen.“

Von der sanften, hellroten Kirschfarbe sollte man sich nicht täuschen lassen. Seine Aromenvielfalt beginnt bei süßen roten Früchten wie Himbeere und Erdbeere, hat aber auch charakteristisch Kirsche und Pflaume im Angebot und wird – je nach Ausbau und Alter – von würzigen Noten ergänzt, von Aromen wie Trüffel und Tabak, zudem von floralen Tönen wie Veilchen. Zimt, Mandel und rote Johannisbeeren findet man ebenso wie manchmal eine karg-rauchige Note. Man sagt ihm Finesse und Klarheit nach, weiche Tannine, die schon in jungen Jahren zugänglich sind, seidige Textur und die Fähigkeit, eine fein ziselierte und knackige Säure zu integrieren. Die ermöglicht ihm auch eine lange Entwicklung auf der Flasche, immerhin zeigen sich die besten seiner Art noch nach vielen Jahrzehnten in einer genussvollen Verfassung. Weil die Weine, wie beim Riesling, immer den Boden widerspiegeln, lassen sich zahllose weitere Aromen finden. Vielzählige Klone erweitern das Spektrum zusätzlich und stellen ganz unterschiedliche Eigenschaften in den Mittelpunkt von Geschmacks- und Aromenausprägung, über Erntemenge bis hin zu unterschiedlicher Beschaffenheit, von kompakten bis hin zu lockerbeerigen Trauben. Allein in Frankreich sind knapp 50 verschiedene Spätburgunder-Klone zugelassen. Oder, um Hugh Johnson abermals zu zitieren: „Auf jeden Fall reicht mein Wortschatz bei Weitem nicht aus, alle Nuancen zu beschreiben.“

Doch damit nicht genug: Spätburgunder gilt auch als Ursprung anderer Rebsorten. FrühburgunderSchwarzrieslingGrau- und Weißburgunder sind lediglich die bekanntesten Mutationen des Pinot Noirs. Seine größte Verbreitung hat Pinot Noir – der Name legt es nahe – in Frankreich. Neben dem Burgund sind das Elsass und die Champagne die Hauptregionen. Vor allem in der Champagnerproduktion spielt Pinot Noir eine wichtige Rolle. Weiß gekeltert bildet er denn auch das Rückgrat vieler Spitzenchampagner. Im Elsass ist er die einzige zugelassene Sorte für die Rotweinproduktion. Auf Platz zwei folgen die USA, wo er in Kalifornien und Oregon seine besten Ergebnisse bringt, die aber stilistisch nicht unterschiedlicher sein könnten. So bringt die trockene Hitze Kaliforniens konzentrierte und dichte Weine hervor, die Spätburgunder in Oregon sind dagegen eher angelehnt an den französischen Stil. In anderen Ländern hat die Sorte ebenfalls ihre Nischen gefunden: Neuseeland überzeugt mit komplexen und mineralischen Pinot Noirs, in Australien gelingen sie eher körperreich und fruchtig. Mit knapp 12.000 Hektar Rebfläche nimmt Deutschland den dritten Platz unter den Spätburgunder-Produzenten ein. Noch 2002 stellte Robert Parker dem deutschen Spätburgunder ein vernichtendes Zeugnis aus: „German Pinot Noir is a grotesque and ghastly wine that tastes akin to a defective, sweet, faded, diluted red Burgundy from an incompetent producer.“ Erst als Winzer wie u. a. Werner Näkel (Weingut Meyer -Näkel) von der Ahr, Paul Fürst aus Franken oder Hanspeter Ziereisen aus Baden sich der Sorte wieder mit dem Anspruch widmeten, hochwertige Rotweine auf internationalem Niveau zu keltern, setzte ein Umdenken ein. Der Blick über den Tellerrand in die französische Hochburg des Spätburgunders inspirierte die deutschen Weinmacher zum Experimentieren mit neuen Anbaumethoden im Weinberg und dem Ausbau im kleinen Holzfass. Auch wenn die ersten Ergebnisse noch von zu viel Orientierung an den burgundischen Vorbildern, mangelnder Erfahrung mit den neuen Methoden geprägt waren, die Weine oft unrund und von zu viel Holz dominiert wirkten. Die Weichen waren damit für eine neue Spätburgunder-Generation im deutschen Weinbau gestellt. Dabei profitieren die Winzer inzwischen auch vom Klimawandel, der eine gesunde Reife der Spätburgunder-Trauben ermöglicht und in Verbindung mit einem gekonnten Ausbau im Holzfass zu eleganten, feingliedrigen und mineralischen Rotweinen führt.

Wie beim Riesling lässt sich auch beim deutschen Spätburgunder keine einheitliche Stilistik festlegen. Die Schieferböden der Ahr, wo rund zwei Drittel der Weinberge mit Spätburgunder bepflanzt sind, die vulkanischen Lagen des Kaiserstuhls, die Muschelkalk-Böden Frankens ergeben völlig eigenständige Weinstile. Und auch in Deutschland existieren unterschiedliche Klone, die eine weitere stilistische und vor allem aromatische Auffächerung ermöglichen. Zwischen eher einfachen, mollig-runden und fruchtbetonten bis hin zu mineralischen, tiefgründigen und zugleich kargen Weinen ist eine große Bandbreite von deutschen Spätburgundern zu finden – in allen Preisklassen. Die besten zeigen Kontur und Schliff, sind geprägt von einer feinen Säurestruktur und eleganter Frucht und haben das Zeug, auf sehr hohem Niveau international gegen die großen Vorbilder aus Frankreich zu bestehen.

Von der Ahr bis an den Kaiserstuhl gibt es für Liebhaber feiner Spätburgunder eine schier unendliche Fülle zu entdecken. Mit über 5.000 Hektar ist Baden das größte Anbaugebiet dieser Rebsorte in Deutschland. Vor allem am Kaiserstuhl und im Breisgau entstehen kraftvolle Weine, die den Ausbau in Barrique-Fässern problemlos vertragen. Sie profitieren vom warmen Klima und den vulkanischen Böden, die sehr ausgeprägte Weine mit einem manchmal deutlich wahrnehmbaren rauchigen Aroma ergeben. Den prozentual höchsten Anteil der Rebsorte verzeichnet allerdings die Ahr. Zwar sind es in der Summe nur etwas mehr als 350 Hektar, bei einer Gesamtfläche von 560 Hektar macht dies aber deutlich über die Hälfte aller Weinberge in dieser Region aus. Die Schieferböden verleihen den Weinen einen satten Fruchtausdruck mit fast speckigen Aromen, die ein wenig an die Weine der nördlichen Rhône erinnern. In von Kalk geprägten Böden wie in Rheinhessen oder Pfalz hingegen zeigen Spätburgunder-Weine ihre fruchtige Seite, begleitet von einer seidigen Textur, die ihnen Eleganz und Trinkfreude verleiht. So haben Winzer das Potenzial der Sorte in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend ausgelotet und sich von den großen Vorbildern aus Frankreich emanzipiert. Der Stil der deutschen Spätburgunder kann inzwischen spielend auf internationalem Niveau bestehen und trifft zunehmend auf mehr Liebhaber in der ganzen Welt.


Zu allen Spätburgundern

Autor/-in Kristine Bäder

Weinjournalistin

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