Reservierte Qualität - Reserve, Riserva und Co.
Weinwissen
Etiketten mit einer besonderen Aufschrift ziehen stets die Aufmerksamkeit auf sich. Manchmal ist es nur ein kleines Wort, das den Unterschied bei der Kaufentscheidung ausmacht. Dieses Wort könnte beispielsweise „Reserve“ heißen, „Réserve“, „Riserva“ oder „Reserva“. Die Varianten dieses Begriffs für besondere Qualitäten sind vielfältig. Auch mit Attributen wird nicht gegeizt, was Begriffe wie „Gran Reserva“ in Spanien, „Réserve Personelle“ in Frankeich, „Große Reserve“ in Österreich oder „Privat-Reserve“ in Deutschland beweisen. Doch die Botschaft dieses Begriffs an Kunde und Kundin ist stets klar: „Kauf mich, ich bin etwas Besonderes, das lange im Keller geschlummert hat.“ Der Reiz, vielleicht ein Dornröschen wach zu küssen ist groß. So vielfältig wie die Schreibweisen sind aber auch die Interpretationen dieses „Dornröschen“-Begriffs.
Die persönliche Einschätzung des Winzers
In Frankreich beispielsweise kann jeder Winzer Réserve, Réserve Personelle oder Grande Réserve aufs Etikett drucken, es hat keinerlei Bedeutung. Der Begriff ist gesetzlich nicht definiert. Er spiegelt lediglich die Einschätzung des Winzers bezüglich der Qualität seiner Weine wider. So verhält es sich auch in den Weinländern der neuen Welt. Estate Reserve, Vintner’s Reserve, Private Reserve oder in Südamerika einfach Reserva sowie viele mehr drücken meist eine bessere Qualität in der Angebotspalette des jeweiligen Weinguts aus, haben jedoch keinen gesetzlich geregelten Hintergrund. Die in Australien häufig anzutreffende Show Reserve verweist auf einen Wein, der speziell für einen der zahlreichen nationalen Weinwettbewerbe, den Wineshows, abgefüllt wurde. In Südafrika stößt man häufiger auf den Begriff Auction Reserve. Berühmt sind die Auktionen der Cape Winemakers Guild und die Nederburg Wine Auction. Für diese Anlässe werden spezielle Fässer ausgewählt oder Cuvées zusammengestellt, die man ersteigern kann.
Die Iberische Halbinsel
In anderen Teilen der Weinwelt, besonders in Europa, sind die Begriffe jedoch klar und streng geregelt. In Spanien, Portugal und Italien müssen Weine klar definierte Anforderungen erfüllen, um diese besonderen Bezeichnungen tragen zu dürfen. Sie beziehen sich auf die Weinbereitung, den Alkoholgehalt und den Weinausbau und liegen weit über den Bestimmungen für einen regulären Rotwein. So müssen in Spanien alle Rotweine für eine Reserva mindestens 36 Monate gereift sein, wovon sie mindestens zwölf Monate im Eichenfass und den Rest der Zeit in der Flasche gelagert haben.
Für eine Gran Reserva erhöht sich die Zahl auf mindestens 60 Monate Reifezeit, wovon mindestens 18 Monate im Eichenfass stattfinden müssen. Viele Weingüter überschreiten jedoch diese Mindestanforderungen. Die Anforderungen für Reserva und Gran Reserva sind in allen Anbaugebieten Spaniens identisch. Diese lange Lagerung im Holzfass und auf der Flasche schaffen nur die besten Qualitäten. Ein einfacher Wein würde im Holzfass bei dieser zeitraubenden Lagerung oxidieren oder auf der Flasche zerfallen.
Auch in Portugal ist die Reserva für besondere Jahrgänge und herausragende Qualitäten reserviert. Ein Rotwein muss mindestens drei Jahre reifen, davon ein Jahr in der Flasche. Einen ganz speziellen Begriff verwenden die Portugiesen, um eine besondere Form der Reserva zu benennen: Liegt der Alkoholgehalt mindestens 0,5 Vol.-% über den gesetzlichen Anforderungen für einen roten Tropfen, wird er mit dem Titel „Garrafeira“ geadelt.
Italiens Besonderheiten
In Italien nennt man die Reserva ganz italienisch Riserva. Diese Zusatzbezeichnung ist für DOC- und DOCG-Weine zugelassen und auch in diesem Fall spielen die Fass- und Flaschenlagerung eine Rolle. Allerdings sind diese Zeiträume je nach Region unterschiedlich geregelt. Ein Barolo Riserva muss beispielsweise mindestens 62 Monate reifen (davon mindestens 18 Monate im Holzfass). Schneller geht es in der Toskana, wo ein Chianti Riserva (6) frühestens 24 Monate nach dem Erntejahr auf den Markt gebracht werden darf und davon zumindest drei Monate in der Flasche verbracht haben muss. Das Zusatzprädikat Chianti „Gran Selezione“ sieht ein Mindestlager von 30 Monaten nach dem Erntejahr, davon mindestens drei Monate auf der Flasche vor.
Abseits des Mittelmeers
Doch nicht nur im mediterranen Raum sind die Begriffe für reservierte Qualitäten definiert. Auch im deutschsprachigen Weinbau gibt es die Bezeichnung Reserve. In Österreich darf das Prädikat Reserve bei Rotweinen nur von einem Qualitätswein mit Jahrgangsangabe verwendet werden, der mindestens 13 Vol.-% Alkohol hat, aus empfohlenen Rebsorten gekeltert wurde und besonders typisch für den jeweiligen Weinstil sein muss. Er darf erst ab dem 1. November des auf die Ernte folgenden Jahres verkauft werden. Für die Prädikate „Große Reserve“ oder „Grande Reserve“ darf der Verkauf erst ab dem 1. Mai des zweiten auf die Ernte folgenden Jahres beginnen.
In Deutschland war der Begriff zunächst lange verboten. Die Politik witterte eine Irreführung des Konsumenten, den es ja schließlich zu schützen galt. Vielleicht wollte man sich aber einfach nur nicht mit den Italienern und Spaniern auf eine Stufe stellen. Doch die ungleiche Behandlung innerhalb der von der Europäischen Union abgesteckten Rahmenbedingungen ärgerte die Winzer. Ein couragiertes Mitglied der Winzerschaft aus der Pfalz brachte schließlich den Stein ins Rollen. Sein Weg vor Gericht war steinig und schwer, führte ihn zunächst bis zum Bundesverwaltungsgericht und weiter zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Doch Ende 2008 wurde endlich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz verkündet. Seither schmücken sich auch deutsche Weine mit dem Begriff Réserve, Grande Réserve oder Privat-Reserve, wenn sie von einer besonderen Qualität sind. Was diese Qualitäten auszeichnet, ist allerdings bislang noch nicht eindeutig geregelt. Im Zweifel schmeckt der Wein einfach ein bisschen besser.