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Wie schmeckt rot? Über die Faszination von Rotwein

Ein Weinglas mit Rotwein wird von einer Hand gehalten, während die andere Hand in ein Notizbuch schreibt. Im Hintergrund steht eine Dekantierkaraffe. Die Umgebung ist gedämpft und gemütlich.

Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an die beliebte Samstagabendshow „Wetten, dass …?“ Ich erinnere mich ganz besonders an eine Wette aus der Sendung. Ein Teilnehmer hatte gewettet, dass es möglich sei, die Farbe von Buntstiften an ihrem jeweiligen Geschmack zu erkennen. Heute wissen wir: Hinter der Buntstift-Wette steckte Schummelei. Damit war man sich einig: Farbe kann man nicht schmecken – oder doch?

Wollte man eine derartige Wette mit Wein veranstalten, so könnte sie klappen. Denn die Weinfarbe steht in einem direkten Zusammenhang mit seinen geschmacklichen Ausprägungen. Bei Rotweinen lassen sich die Wechselwirkungen von Farbe und Geschmack relativ leicht erkennen: Bei roten Trauben ist das Fruchtfleisch nicht gefärbt, der Saft ist also relativ hell. Die Farbstoffe des Weins sitzen in der Traubenschale. Damit ein Wein rot wird, müssen die Farbstoffe aus der Traubenschale herausgelöst werden, wobei sich in diesem Prozess nicht nur die Farbe aus der Schale löst, sondern auch die Aroma- und Gerbstoffe. Aromastoffe sind wichtig, damit sich der Duft möglichst vielschichtig präsentiert. Gerbstoffe wiederum verleihen dem Wein eine festere Struktur und wirken mit ihrer oxidationshemmenden Wirkung auch als Konservierungsstoff.

Das Auslösen der Aromen und Geschmackskomponenten findet klassisch während der Maischegärung statt. Das Fruchtfleisch wird zusammen mit den Traubenschalen gemaischt und beginnt zu gären. Der in den Trauben enthaltene Zucker wird durch die Arbeit der Hefen in Alkohol und Kohlensäure umgewandelt, dabei entsteht Wärme. Gleichzeitig erleichtern Alkohol, Kohlensäure und Wärme das Auslösen von Polyphenolen, zu denen Aromastoffe, Geschmacksstoffe und Gerbstoffe gehören.

Der typische Rotweincharakter kommt über die Ausprägung der Aroma- und Geschmacksstoffe ebenso zustande wie über die Struktur des Weins, seiner Säure, seiner Gerbstoffe und dem entsprechenden Mundgefühl. Da bei der Weißweinerzeugung in der Regel die Trauben gekeltert werden und nur der Most vergoren wird, ergibt sich dabei allein schon ein großer Unterschied zum Rotwein. Weißwein hat kaum phenolische Komponenten wie etwa die Tannine. Er besitzt nur vereinzelt Gerbstoffe und weist eine andere aromatische Struktur auf. Rotweine und Weißweine sind also nicht nur von der Farbe her recht einfach voneinander zu unterscheiden. Auch die Primäraromen, die natürlichen Traubenaromen, sind bei Rotweinen klar in eine dunklere Fruchtrichtung ausgeprägt. Sie erinnern an Beerenfrüchte wie Himbeeren, Erdbeeren, Preiselbeeren oder schwarze Johannisbeeren, Holunder oder Heidelbeeren. Steinobstnoten von Kirschen, Pflaumen oder Schlehen assoziieren wir ebenfalls mit Rotwein. Bei Weißweinen sind die Aromen eher im gelbfruchtigen Bereich angesiedelt wie man sie etwa bei Aprikosen, Pfirsichen, Äpfeln und im Bereich der Zitrusnoten findet.

Und was passiert, wenn man rote Trauben weiß keltert? Erhält man dann einen Weißwein? Die Frage ist berechtigt. Der daraus entstehende Wein ist sehr hellfarben. Er besitzt in der Regel zwar auch Zitrusnoten, die an Apfel oder Birne erinnern, jedoch scheinen Anklänge von roten Beerenfrüchten durch. Weinprofis erkennen diese Beerenfrüchte sofort als „ursprünglich rot“.

Sekundäraromen gehören zu den Aromen, die durch die alkoholische Gärung entstehen. Die Gäraromen können sich beispielsweise durchaus dropsig oder blumig offenbaren und auch ätherische Anklänge zeigen. Aromen werden besonders durch das Zusammenspiel von Alkohol, Säuren und Ester geprägt. Da diese Aromen durch die Gärung entstehen, sind hier geringere Unterschiede zwischen Rot- und Weißweinen erkennbar.

Tertiäraromen kommen über den Ausbau des Weins oder über die Reife eines feinen Gewächses zum Tragen. Hier haben wir es zum Beispiel mit Anklängen von Vanille, Röstaromen oder milden Gewürzen zu tun, die über den Ausbau in kleinen französischen Eichenfässern, den Barriques, entstehen. Trockenfruchtaromen wie Dörrpflaumen, getrocknete Feigen, Datteln oder Rosinen entstehen nur in reifen Weinen und sind typisch für die Welt der Tertiäraromen. Diese Aromen können jedoch sowohl bei reifen Rotweinen als auch bei Weißweinen auftreten.

Je reifer ein Wein also wird, desto schwerer wird die aromatische Unterscheidbarkeit. Dennoch: Man kann Rot schmecken. Probieren Sie es selbst.

Autor/-in Markus del Monego

Sommelier-Weltmeister und Master Sommelier

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